Wer mag es nicht? Das fröhliche blubbern wenn man dem Pony die heißersehnte Möhre unter die Nase hält. Das beruhigende knuspern wenn es nach der Arbeit sein Müsli verputzt. Da hat man als Pferdebesitzer doch gleich das Gefühl dem Pferd etwas Gutes getan zu haben. Und die paar Kilo mehr auf den Rippen werden ja wohl kaum schaden - oder doch?
Leider dreht sich oben beschriebene Pferdeliebe jedoch in immer mehr Fällen ins Negative:
zu hohe Futterrationen (aber das Müsli war auf der Messe doch sooo günstig und es riecht soooo gut!) in Kombi mit zu wenig Bewegung (heute ists so warm, da tüddeln wir mal nur) führen zu immer mehr Pferden die mit sogenannten Wohlstandkrankheiten zu kämpfen haben.
Was nach außen hin zuerst nur nach ein paar Kilo zu viel aussieht, kann im Körper jedoch langfristig verheerende Schäden nach sich ziehen. Ich möchte hier keine Abhandlung über Krankheiten wie Adipositas, EMS, Hufrehe und Co. verfassen - dazu gibt es ausreichend Lesematerial.
Viel mehr geht es mir darum, dir ein paar Punkte an die Hand zu geben wie du zum einen erkennen kannst ob dein Pferd zu dick ist und zum anderen in eurem täglichen Miteinander Ansatzpunkte finden kannst um es gewichtstechnisch wieder in den Normalbereich zu befördern bzw. zu erhalten ohne dass dein Mamaherz zu sehr darunter leidet ;-)
Gewicht kontrollieren
Woher weiß ich dass mein Pferd (zu) dick ist? Immer mehr unserer Pferde haben ein Problem mit ihrem Gewicht.
Der Anblick dicker Pferde ist für unser Auge schon so "normal" geworden, dass ein normalgewichtiges Pferd vielmals sogar als zu dünn abgestempelt wird. Umso wichtiger wird es, zu erkennen wann das eigene Pferd zu viel angesetzt hat und wann es noch im Normalbereich liegt.
Der wohl einfachste und sicherste Weg das Gewicht zu kontrollieren ist eine Pferdewaage. Nach Möglichkeit empfehle ich, euer Pferd 2x jährlich - wenn möglich immer zum etwa gleichen Zeitpunkt - wiegen zu lassen. Inzwischen gibt es viele Anbieter, die mit mobilen Waagen unterwegs sind. Mit ein paar Stallkollegen zusammengeschlossen lässt sich so relativ schnell und unkompliziert ein Sammeltermin organisieren.
Besteht diese Möglichkeit jedoch nicht, so lege ich dir meinen Beitrag zum "Body Check - Gewichtsbestimmung per Körpermessung" ans Herz. Dort hast du verschiedene Möglichkeiten, das Gewicht deines Pferdes per Maßband zu bestimmen.
Und woher kenne ich das Normalgewicht meines Pferdes? Hierzu kann ich dir die "Gewichtskarten" des tierwissenschaftlichen Instituts von Conny sehr ans Herz legen. Diese gibt es in ihrem Onlineshop unter https://twi.academy für kleines Geld zu bestellen und bieten dir eine gute Orientierung über die Normgewichte vieler Pferderassen im Zusammenhang mit der jeweiligen Pferdegröße.
Mein Pferd ist zu dick - was nun?
Nun haben wir es also schwarz auf weiß: Dein Pferd ist zu dick. Bevor du nun aber tränenüberströmt das arme Pony hungernd mit drei übereinander gezogenen Heunetzen in seine Abnehmparzelle steckst atme erst einmal tief durch: Ja das ist ein Problem. ABER es lässt sich lösen. Und zwar auf gesunde Art und Weise - ohne Stress und vor allem ohne Hungerzeiten für dein Pferd. Natürlich löst sich das Problem aber auch nicht von alleine. Etwas Engagement kann man leider nicht ersparen, aber es lohnt sich - versprochen.
Wie wird mein Pferd satt?
Zuerst einmal muss man wissen: ein Pferd sättigt sich durch den Anteil an Rohfaser die es täglich aufnimmt. Unser Ziel: Das Pferd soll abnehmen ohne hungern zu müssen. Wir müssen also zuerst einmal wissen, wie viel Rohfaser dein Pferd benötigt um satt zu werden. Dafür gibt es Experten wie mich, die dir zur Seite stehen können. Kennen wir den Bedarf, so können wir sehen wie wir diesen decken ohne gleichzeitig zu viel Energie ins Pferd zu stecken.
Ein kleines Beispiel:
Der Bedarf von Pony "Moppel" liegt bei etwa 2400g Rohfaser/Tag. Ein kg des zur Verfügung stehendes Heus hat 6 MJ ME (Energie) sowie 290g Rohfaser. Um seinen Bedarf an Rohfaser zu decken müsste unser Pony also ca. 9 kg dieses Heus pro Tag aufnehmen. Damit verbunden wäre jedoch auch eine Energieaufnahme von 54 MJ ME - benötigen würde unser Beispielpony allerdings nur 40 MJ ME.
Die Folge: Übergewicht - und das sogar noch ganz ohne Kraftfutter und sonstige Leckereien.
Was also tun? Heu rationieren? Jain - das Zauberwort heißt Mischration. Stroh hat beispielsweise eine geringere Energiedichte als Heu - dafür aber mehr Rohfaser. Ersetzen wir nun einen Teil der Ration durch hochwertiges Futterstroh können wir die Energieaufnahme reduzieren ohne dabei den Rohfaseranteil senken zu müssen. Auch Äste und Zweige können eine sinnvolle Futterquelle sein. Geschickt kombiniert haben wir ein sattes Pony, welches trotzdem nicht zu viel an energiehaltigem Heu zu sich nehmen muss.
Zu guter letzt sollten wir uns auch Gedanken über das Fütterungsmanagement machen. So macht es zum Beispiel Sinn, das Heu-/Strohgemisch anstatt lose an einer einzigen Raufe verteilt auf mehrere, kleine Netze anzubieten. Je nach Haltungsform und Möglichkeiten vor Ort lässt sich mit wenigen Handgriffen meist schon eine Verbesserung der Situation erreichen. Auch hier steht dir dein Futterberater gerne mit Tipps und Praxisbeispielen zur Seite.
Reicht Raufutter aus?
Die Aussage "Der ist dick genug - da reichen Heu und Stroh doch völlig aus" entspricht leider nicht ganz der Wahrheit. Denn neben der Sättigung und der Kontrolle der Energiezufuhr darf die ausreichende Abdeckung von Eiweiß sowie allen wichtigen Nährstoffen nicht vernachlässigt werden - und diese wird leider über das Raufutter nicht sichergestellt. Ich sehe oft dicke Pferde, die jedoch gravierende Unterversorgungen in der Mineralisierung aufweisen. Eine zum Heu passende Mineralisierung ist ein absolutes Muss - sowohl für normalgewichtige als auch für zu dicke Pferde.
Und was ist mit der Weide?
Dass 24/7 Koppelgang auf einer fetten Weide für unseren Moppel kontraproduktiv sind, sollte verständlich sein. Im Idealfall stehen neben der Weide auch alternative Auslaufflächen zur Verfügung, die genutzt werden können. "Muss" das Pferd auf die Koppel, so sollte spät angeweidet und die Weidezeit in jedem Fall zeitlich begrenzt werden. Und: Nur weil die Wiese zB schon abgefressen ist, heißt das nicht dass diese nun für dicke Pferde geeignet ist - ganz im Gegenteil. Gerade kurz gefressene Weiden sind leider hoch-zuckerhaltig und sollten daher vermieden werden.
Was kann ich sonst noch tun?
Wir haben nun also den Energiegehalt der Ration (soweit möglich) gesenkt, die Mineralisierung angepasst und unser Fütterungsmanagement anpasst. Fütterungsseitig wäre das Thema somit also durch, aber was ist mit den restlichen Faktoren?
Bewegung als Schlüssel zum Erfolg
Dazu sei zu sagen: Ja, durch eine angepasste Fütterung kann weiterer Gewichtszunahme entgegen gewirkt werden. Für einen effektiven Abnehmerfolg braucht es jedoch eines: Bewegung. Dazu zählt sowohl die freie Bewegung - also die, die das Pferd von sich aus auf dem Paddock oder der Koppel vornimmt - als auch das gezielte Training am Boden oder unter dem Sattel.
Beginnen wir mit der freien Bewegung. Hierzu bietet es sich an, erst einmal eine "Bestandsaufnahme" vorzunehmen:
- Wie wohnt mein Pferd? Wie viel Bewegungsanreiz bietet diese Haltungsform?
- Worauf habe ich überhaupt Einfluss und worauf nicht? Gerade als Einsteller gilt es ggf. auch mit dem Stallbetreiber Rücksprache zu halten, welche Handlungsmöglichkeiten überhaupt bestehen.
- Kann ich mehr Bewegungsanreize bieten, in dem ich zum Beispiel Laufwege anlege, Futterplätze verlege / aufteile, Klettermöglichkeiten schaffe etc.?
- Wie ist die Bodenbeschaffenheit? Ein übergewichtiges Pferd 24/7 auf einer fetten Wiese stehen zu lassen ist logischerweise wenig sinnvoll. Kann ich stattdessen "wiesenfreie" Flächen schaffen / nutzen und die Koppel zB nur stundenweise freigeben?
- Wie kann ich Beschäftigungsmöglichkeiten wie zB. Knabberhölzer/Äste integrieren?
Neben der Optimierung der Bewegungsanreize in Bezug auf die Haltung deines Pferdes spielt natürlich auch das Training eine wichtige Rolle. Wichtig hierbei zu wissen ist, dass übergewichtige Pferde ab einem gewissen Grad der Adipositas körperlich nicht (mehr) voll belastbar sind. Der Grund ist denkbar einfach: Fett belastet. Und zwar den gesamten Körper. Das Moppelpony im Galopp durch die Gegend zu scheuchen ist nicht nur wenig effektiv sondern auch ganz schön gemein.
Wie also vorgehen? Um das näher einordnen zu können müssen wir uns kurz mit dem Fettstoffwechsel des Pferdes beschäftigen. Dieser ist am effektivsten, wenn das Pferd eine Herzfrequenz von etwa 90 - 120 BPM (Beats per Minute) aufweist. Hierbei bewegen wir uns im aeroben Bereich, bei dem Sauerstoff verwendet wird, um Energie aus Kohlenhydraten zu gewinnen. Die Fettverbrennung wird somit angekurbelt.
Im Galopp hat das Pferd - je nach Intensität - 110 - 200 BPM, im Trab hingegen zwischen 80 und 120 BPM. Im flotten Schritt lassen sich unter Umständen auch schon 80 - 90 BPM erzielen. Natürlich ist das auch immer abhängig vom Trainingszustand deines Pferdes. Während ein untrainiertes Pferd im Schritt somit schon in die "Verbrennungszone" kommt, benötigt das trainierte Tier einen flotten Trab um effektiv zu sein. Kontrollieren lässt sich das ganze am einfachsten mithilfe einer Herzfrequenzmessung. Hierzu gibt es inzwischen spezielle Produkte für Pferde zu kaufen. Wer es günstiger mag holt sich einen Pulsmessgurt für Menschen und bastelt dieses fürs Pferd um.
Wir wissen nun also, wann unser Pferd am besten Fett verbrennt. Nun heißt es: tun. Du hast nur wenig Zeit? Kein Problem, ein flotter Spaziergang im Schritt oder eine Runde Intervalltraining an der Longe reichen, um den Fettstoffwechsel anzukurbeln und deinem Pferd etwas Gutes zu tun. Jeder Schritt zählt - das sollte einem immer bewusst sein. Es geht nicht darum, täglich mehrere Stunden zu reiten - mit einem durchdachten Trainingskonzept und dem Wissen, wann dein Pferd effektiv gegen seine Pfunde arbeitet lassen sich auch mit "normalem" Zeitaufwand schnell Erfolge erzielen.
Das Wort zum Schluss
Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Beitrag ein paar hilfreiche Tipps zum Umgang mit dicken Pferden an die Hand geben. Wir als Pferdebesitzer, sind in der Pflicht unsere Pferde gesund zu erhalten - und dazu gehört es leider auch, das Gewicht im Auge zu behalten. Die Umsetzung muss jedoch nicht mit Hunger, Stress und Bauchschmerzen einhergehen. Stattdessen lassen sich mit einem durchdachten Konzept passende und vor allem auch in der Praxis umsetzbare Stellschrauben finden, wie du dein Pferd glücklich wieder zum Normalgewicht führen kann.
Gern sind wir dir bei der Erarbeitung eines solchen Konzepts behilflich und begleiten euch auf eurem Weg!
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